Freiräume erkämpfen
Die Leipziger Montagsdemonstrationen waren untrennbar mit den seit 1982 stattfindenden Friedensgebeten in der Stadtkirche St. Nikolai verbunden.
Die allwöchentlichen Andachten bildeten den historischen Kern als ein strukturierendes und mobilisierendes Element in der Entwicklung der Protestkultur der 1980er Jahre. Sie gaben Zeit und Ort eines Diskurses vor. Verstärkt wurde die Bedeutung eines solchen Kommunikationsraumes durch die systemimmanente Tabuisierung von gesellschaftlichen Konflikten. Im Gegensatz zu Gottesdiensten wurden die Friedensgebete von einer Laienbewegung innerhalb der evangelischen Kirche getragen und waren somit auch für politisch interessierte Nichtchristen von großem Interesse. Das wiederrum führte zu extremen Spannungen mit der Amtskirche.
Auch in vielen anderen Städten der DDR gab es Friedensgebete, so bereits seit 1978 in Erfurt. Das Besondere an Leipzig war ihre Kontinuität.
Weit vor den Massendemonstrationen des Herbstes 1989 entstanden aus den Friedensgebeten heraus verschiedene Protestformen: öffentliche Kundgebungen auf dem Kirchvorplatz, Demonstrationen in der Innenstadt. Die Staatsmacht reagierte mit Polizeigewalt und Verhaftungen. Das monatelange, nicht gewaltfreie Ringen um den öffentlichen Raum gewannen schließlich die Demonstranten am 9. Oktober 1989.